Der Eisenacher Theodolit des Gustav Leopold Zwez

Der Eisenacher Theodolit des Gustav Leopold Zwez

Dem Thüringer Museum der Stadt Eisenach ist Anfang 2005 aus einer Berliner Privatsammlung ein historisches optisches Vermessungsinstrument zum Ankauf angeboten worden. Es handelt sich um einen so genannten Theodoliten, der signiert und datiert ist mit „G. Zwez, Eisenach 1853". Das Instrument zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Konstruktion aus und ist damit ein sehr seltener und wertvoller Zeitzeuge technischer Entwicklung. Höchstwahrscheinlich diente der Theodolit im 19. Jahrhundert einer Katasterneuaufnahme, die nach 1848 im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach durchgeführt wurde. Sie hatte das Ziel, eine gerechtere Besteuerung des Landbesitzes der Bürger zu erreichen.

Das stadt- und technikgeschichtlich höchst bemerkenswerte Objekt konnte auf Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses mit Unterstützung von Vereinen und Verbänden für die Stadt Eisenach sichergestellt werden. Ursprünglich war eine Versteigerung des Theodoliten auf einer internationalen Fachauktion vorgesehen.

Der Hersteller

Über die Existenz einer feinmechanisch hoch spezialisierten Instrumentenbaufirma in Eisenach und über G. Zwez, den Schöpfer des Theodoliten, war bisher in Fachkreisen so gut wie nichts bekannt. Aus den Akten des Stadtarchivs Eisenach ließ sich jedoch inzwischen ermitteln, dass sein vollständiger Name Gustav Leopold Zwez lautete. Er wurde am 8. Oktober 1809 in Gerstungen als Sohn des in Creuzburg tätigen Amtskommissars Philipp Benjamin Zwez und der Sophie Adriane Zwez, geb. Stumpf, geboren. Seine Ausbildung erhielt er in Kassel, seine „künstlerische Vervollkommnung" nach eigenen Angaben in Wien. Von Creuzburg aus beanspruchte er am 27. Mai 1835 in Eisenach das Bürgerrecht, wurde 1847 zum Hofmechanikus ernannt und erwarb 1855 von Hofhändler Bohl sen. ein Haus am Markt, Ecke Goldschmiedenstraße. Zusätzlich zu seinen beruflichen Aufgaben, scheint sich Zwez mehrfach als besonders engagierter Bürger ausgezeichnet zu haben: 1845 wurde er Feuerlöschvorsteher, 1848 Ausschussmitglied der Bürgerwehr, 1850 Mitglied im Gemeinderat und im Vorstand des „Eisenacher Steinkohlenaktienvereins". Am 27. November 1858 verstarb er bereits im Alter von 48 Jahren.
Weitere Unterlagen zu seinem Werdegang sind unter anderem im Hauptstaatsarchiv Weimar zu vermuten.

Technische Besonderheiten

Bei dem mit der Stückzahl „24" bezeichneten und mehrfach signierten Theodoliten handelt es sich um ein frühes Zeugnis des deutschen geodätischen (vermessungstechnischen) Instrumentenbaues. Besondere Eigenheiten deuten darauf hin, dass er speziell für die amtliche Verzeichnung von Grundstücken bzw. Katasterneuaufnahmen entwickelt wurde. Seine Form weicht von den seinerzeit üblichen Geräten stark ab. Im Allgemeinen wurden in der damaligen Zeit vergleichbare Instrumente aus Hessen-Kassel oder Preußen bezogen. Höchst ungewöhnlich sind besonders die tischartige runde Messingplatte mit einer 360-Grad-Teilung des Horizontalkreises und mit zwei gegenüberliegenden Nonien (Ablesehilfen) sowie die drei senkrecht (!) am Fuß angeordnete Schrauben zur Horizontierung (Waagerechtstellung) des Gerätes. Am kleineren Vertikalkreis ist eine Ablesung auf eine Minute möglich. Die in die Grundplatte eingeschobene Kastenbussole (Kompaß) dient zum Einnorden. Der Befestigungsring innerhalb des Horizontalkreises läßt vermuten, dass ein Blatt Papier eingeschoben werden konnte. Dies alles könnte für eine Vor-Ort-Kartierung konstruiert worden sein, die einer sehr seltenen Frühform der halbautomatischen Feld-Kartierung gleich käme.

Bei der Erstellung der Expertise erhielt das Thüringer Museum dankenswerter Weise fachkundige Unterstützung von Dipl.-Vermessungsingenieur Joachim Vogt.

Bedeutung für die Stadt Eisenach

Der Theodolit des Gustav Zwez veranschaulicht auf exemplarische Art und Weise, dass sich die Bedeutung Eisenachs als historisch gewachsener Standort für hochwertiges Handwerk, Technik und Industrie nicht nur in der Automobilindustrie erschöpft. Darüber hinaus lassen seine ungewöhnlichen Konstruktionsprinzipien große Aufgeschlossenheit gegenüber naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, praktischen Erfordernissen und innovativem Erfindergeist deutlich werden. Auch wenn die Werkstatt des Gustav Leopold Zwez ohne Nachfolger gewesen zu sein scheint, so ist doch bemerkenswert, das zu ihrer Blütezeit in Eisenach kein Geringerer als Ernst Abbe geboren wurde. Als Zwez seinen Theodoliten signierte, war Ernst Abbe 13 Jahre alt. Es scheint lohnenswert, einmal in seinen Jugenderinnerungen nach einem Besuch in der Werkstatt des „Hofmechanikus und Opticus" am Markt nachzuforschen.

Präsentation im Thüringer Museum

Für das Thüringer Museum, dass auch über einen kleinen aber durchaus beachtenswerten speziellen Bestand an technischen und optischen Geräte verfügt, stellt der Theodolit eine große Bereicherung dar. Durch seinen regionalen Bezug, seine konstruktiv-technischen Besonderheiten und seine Funktion als Vermessungsinstrument kann er als Paradestück für eine zukünftig zu gestaltende stadt- und technikgeschichtliche Abteilung im Stadtschloss angesehen werden. In Vorbereitung auf diese Installation ist für 2006 eine Sonderausstellung geplant, zu der bereits verschiedene Leihgaben zugesichert wurden. Hierbei wird insbesondere auch eine enge Zusammenarbeit mit den Eisenacher Schulen angestrebt.