Was für die einen nur alter, staubiger Kram ist, entpuppt sich für Historikerinnen und Historiker als wahrer Schatz. Bei der Räumung des Dachbodens entdeckte Anika Biedermann Firmenunterlagen des ehemaligen Granit- und Marmorwerks Walter Conradus und übergab sie an das Eisenacher Stadtarchiv. Bei den aufgefundenen Unterlagen handelt es sich um Auftragsbücher, Belege für Auslagen und Spesen, Lieferantenakten, Kalkulationen sowie Kundenkarteien aus der Zeit von 1901 bis 1944. Nach einer sorgfältigen Reinigung und anschließenden Erschließung durch das Stadtarchiv Eisenach sind die Unterlagen jetzt öffentlich nutzbar.
Das Granit- und Marmorwerk
Die Geschichte des Granit- und Marmorwerks reicht bis ins Jahr 1879 zurück, als der Bildhauer August Conradus die Firma in der Mühlhäuser Straße gründete. Das Unternehmen entwickelte sich stetig und verfügte über ein Lagergebäude, Büroräume und einen Ausstellungsraum. 1913 beschreibt ein Artikel in der Tageszeitung „Eisenacher Tagespost“ die Firma als eine der größten Granitschleifereien Deutschlands. Je nach Auftrag fertigte die Firma in Form geschliffene Stein-Rohlinge oder fein verzierte Grabdenkmäler an. Verarbeitet wurden vor allem importierte Granite aus Schweden; aber auch aus Norwegen, der Schweiz und Bayern.
Nach dem Tod des Gründers August Conradus im Jahr 1918 führten seine Söhne, der Architekt Walter Conradus und der Kaufmann Arthur Conradus, die Firma als offene Handelsgesellschaft weiter. Eine zentrale Figur in der späteren Firmengeschichte war jedoch Hedwig Conradus, geborene Winter. Nach dem frühen Tod ihres Mannes Walter Conradus im Jahr 1928 übernahm sie die Leitung des Betriebs. Sie führte das Unternehmen als Inhaberin trotz der wirtschaftlich und politisch turbulenten Zeiten der 1930er und 1940er Jahre noch bis in die Nachkriegszeit.
Wichtige Zeugnisse der Eisenacher Wirtschaftsgeschichte
Genaue Rückschlüsse über den Kundenkreis des Granit- und Marmorwerks geben die Kundenkartei und die prall gefüllten Auftragsbücher aus den Jahren 1938 bis 1942. Letzteren gilt besonderes Augenmerk, denn diese sind minuziös dokumentiert: Name und Herkunft des Kunden, Skizzen der Werkstücke, Angaben zu Material und Preis sowie Details zur Ausführung, wie etwa die Gestaltung von Schriftzügen und Ornamenten. „Die Dokumente gewähren einen wunderbaren Einblick in die Handwerks- und Industriegeschichte Eisenachs“ erklärt Anne Groke, Teamleiterin Stadtarchiv.
Die Firmenunterlagen des ehemaligen Granit- und Marmorwerks Conradus bieten noch reichlich Potenzial für die weitere Erforschung. Nicht nur für die Firmengeschichte selbst, sondern auch für wirtschafts- und sozialgeschichtliche Fragestellungen.
Das Stadtarchiv Eisenach spricht Anika Biedermann einen besonderen Dank für diese wertvolle Schenkung aus. Durch ihre Initiative konnten diese wichtigen Zeugnisse der Eisenacher Wirtschaftsgeschichte für die Nachwelt gesichert und der Forschung zugänglich gemacht werden.