Bill Clinton in Eisenach
US-Präsident begeistert vom Teamgeist in Eisenach
NEUE LÄNDER / Kohl: Es kann nicht angehen, daß USA in Großbritannien achtmal mehr investieren als in Deutschland
HANDELSBLATT, Donnerstag. 14.5.98 mwb EISENACH. Für den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton haben die auf die Leinwand projizierten virtuell flatternden deutsch-amerikanischen Freundschaftsflaggen eine reale Bedeutung auch in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Staaten. Aus der für die Berliner lebensrettenden Luftbrücke ist 50 Jahre später eine funktionierende Investitionsbrücke in die neuen Länder geworden. Mit 174 Firmen, Investitionen von 13 Mrd. DM und 60.000 Beschäftigten stellen die Amerikaner die größte ausländische Investorengruppe.
So war für den US-Präsidenten neben Wartburg als Symbol der Reformation und der Geburtsort des Komponisten Johann Sebastian Bach das topmoderne Automobilwerk von Opel Hauptgrund für einen Besuch in Eisenach.
Gerade das Opel-Werk hat in der vergangenen Woche an Wichtigkeit gewonnen. Wurden doch angesichts des Daimler-Chrysler-Deals Superlative strapaziert. Von dem "ersten globalen Unternehmen" war häufig die Rede. Das stimmt - wenn überhaupt - nur aus deutscher Sicht. Immerhin hat der weltgrößte Autobauer General Motors bereits 1929 mit dem Kauf der Adam Opel AG gezeigt, wie man sich in wichtige Märkte transatlantisch einkauft.
Pünktlich zum Präsidentenbesuch in der Endmontage des Eisenacher Werkes ließen die Opel-Manager den 750.000sten Opel "made in Eisenach" vom Band laufen. "Ich war neugierig auf dieses Werk und habe bei meinem kurzen Rundgang gespürt, daß der Erfolg dieses Werkes viel mit dem Teamgeist der Menschen hier zu tun hat", sagte Clinton vor Mitarbeitern des Werkes. Opel Eisenach sei auch ein Symbol dafür, was freie Menschen zu leisten vermögen.
Bundeskanzler Helmut Kohl nutzte die Gelegenheit, General Motors und den Beschäftigten für ihre Aufbauarbeit in Eisenach zu danken. Er mahnte aber an. daß Deutschland nur durch eine Steuerreform noch attraktiver für weitere Auslandsinvestitionen werden könne. Es könne nicht angeben, daß die amerikanischen Investitionen in Großbritannien achtmal höher seien als die Investitionen in Deutschland.
Clinton bezeichnete es als eine der größten Herausforderungen für Deutschland, Einkommen und Lebensstandard in den neuen Ländern auf das Niveau im Westen anzuheben. Opel sei ein Beitrag dazu.
Die kleine Schwester des großen amerikanischen Bruders GM hat gerade in den neuen Ländern erstaunliche Erfolge erreicht. Direkt nach der Wende im März 1990 gründete Opel mit der Wartburg - Schmiede Automobilwerk Eisenach (AWE) die Opel - AWE - Planungs GmbH. Zwei Tage nach der Wiedervereinigung am 5. Oktober 1990 lief der erste Vectra in einer AWE - Werkshalle vom Band. Im Februar 1991 wurde der Grundstein für das neue Werk gelegt. Schon 19 Monate später, im September 1992, begann die Produktion. Das Montagewerk für 1 Mrd. DM in Eisenach zählt neben Dow Chemical in Schkopau und Motorola in Dresden zu den größten US-Investitionen in den neuen Ländern.
Opel Eisenach zählt nicht nur zu den modernsten Autofabriken in Deutschland, sondern ist auch Opels produktivstes Werk. Nach einer Studie des britischen Marktforschungsunternehmens Economist Intelligence Unit (EIU) liegt Eisenach mit 67,7 produzierten Autos pro Mitarbeiter in 1996 weltweit an zweiter Stelle. Nur das Nissan-Werk im britischen Sunderland übertraf Eisenach mit 73,2 Autos je Mitarbeiter.
Während GM sich mit einem drastischen Kostensenkungsprogramm herumschlägt und in Europa in den kommenden fünf Jahren 20.000 Stellen abbauen will, stockte Opel in Eisenach allein in diesem Jahr die Belegschaft um 200 auf 2000 Beschäftigte auf.
Die Wirkung des Opelwerks strahlt bis in die angrenzenden neuen Länder. Allein 200 sächsische Betriebe beliefern Opel in Eisenach. Insgesamt kauft Opel für 440 Mill. DM Vorprodukte in den neuen Ländern ein. Bis zum Jahr 2000 soll die 500-Mill.-DM-Grenze erreicht sein. Neben den 2000 Arbeitsplätzen sind in der Zulieferindustrie zusätzliche 3000 Stellen in der Region entstanden.